Grossfamilie

Wir sind eine Grossfamilie. Nach der Geburt unseres dritten Kindes bekamen wir damals in Frankreich einen „Grossfamilienausweis“, der viele Vorteile und Ermässigungen mit sich brachte. Komischerweise blieben meine Muttergefühle weitgehend dieselben und ich nahm uns auch mit dem vierten Kind nicht als die Grossfamilie war. Ich bin ja gemächlich über Jahre in unsere heutige Dimension reingerutscht. Die Waschberge wachsen zwar stetig, der Einkauf wird grösser, die Organisation des Alltages herausfordernder, doch habe ich mich noch nie so richtig als Grossfamilie gefühlt. Bis auf diesen Oktober …!

Seit der Magen-Darm-Grippe bin ich überzeugt, wir sind eine Grossfamilie! Bei uns dauert nicht nur das Abendliche bettfertig machen etwas länger, auch Grippen können endlos werden. So waren wir in diesen Herbstferien plötzlich als ganze Familie lahmgelegt. Wettlaufen in das Badezimmer und abstrakte Wanddeko waren unsere Ferienaktivität, begleitet von einem persönlichen Rekord an täglichen Waschgängen. Das ungeplante Ferienprogramm hat uns ausgelaugt und umso dankbarer bin ich nun, dass sachte die Kraft und Lebenslust zurückkehrt.

Das Lustige ist, von aussen wurden wir schon lange als eine grosse Familie wahrgenommen. Oft spricht man mich an und fast täglich werde ich gefragt, ob die (damit sind die Kinder gemeint) alle mein seien. Gehen wir Spazieren sieht man nicht selten den Kopf der Passanten vier Mal nicken oder hört sie leise „un, deux, trois, quatre“ flüstern. Einen eindrücklichen Moment muss es sein, wenn ich alleine mit den Kindern den Badebereich des Hallenbades betrete. Wir treten immer alle gemeinsam aus dem Gang und in diesem Augenblick scheint es, als drehten sich sämtliche Personen im Planschbecken um und ein nicht hörbarer Chor stimmt nickend die „un, deux, trois, quatre“ Melodie an. Mein Evergreen der Kinderjahre.

Wie schon gesagt, in unsere Familiengrösse, bin ich gemächlich über die Jahre hineingewachsen. Längst vor der Heirat war es für meinen Göttergatten und mich klar, wir wollten zwei Kinder. Denn wir beide sind mit einem älteren Bruder aufgewachsen. Als Eltern waren wir zu zweit, hatten je zwei Hände und in unserem Häuschen gab es ein Kinderzimmer, also Platz nur für zwei. Doch nach dem zweiten Kind haben wir gemerkt, dass nicht nur die Liebe gewachsen ist, sondern irgendwie lernten wir unsere rationellen zwei Hände anders gebrauchen. Mit einem selbst angefertigten Hochbett schufen wir freien Platz für ein weiteres Wunder. Waren alle guten Dinge drei? Wir meinten ja, liessen aber die Türe zu unserer Familie noch offen stehen und so betrat eines Tages völlig unerwartet ein weiteres Familienmitglied unsere Stube. Platz wurde geschaffen, und fröhlich konnte es Einzug nehmen. Jetzt sind wir glücklich zu sechst.

Es ist herrlich, eine Grossfamilie zu sein. Ich könnte hier nun eine lange Liste mit positiven Punkten aufzählen. Alles Dinge, die ich als Mutter einer Familie der Grösse L schätze. Zum Beispiel …

  • ist in einer Grossfamilie immer jemand da, mit dem man spielen, streiten und Beziehungsfähigkeiten üben kann.
  • Langeweile kennt man hier (fast) nicht. Auch brauche ich als Mutter nicht immer zu Unterhalten oder Unterhaltung und Aktivitäten zu organisieren.
  • Die Kinder übernehmen Verantwortung füreinander und helfen sich gegenseitig. Haben einen starken Teamgeist.

Doch diese Punkte kann sich jeder selbst erahnen. Mein absoluter Favorit ist…

  • Dass ich mit jedem Kind erfahrener, gelassener und ruhiger werde. Ich habe gelernt, wie mich von anderen Meinungen und Druck von Aussen zu Distanzieren und meinen eigenen Weg zu gehen. Diese Entspanntheit spiegelt sich auf die Kinder und das ganze Familienleben wieder.

4x mehr dankbar gesegnet.

 

Vielschichtig

Hallöchen mein(e) Liebe(r), da bin ich wieder… Ich weiss es war eine (zu)lange Pause, doch umso glücklicher bin ich wieder mal meine Gedanken mit dir Teilen zu dürfen. Wie geht es dir? Wie war dein Sommer?

Unsere Ferientage stapelten sich wie Steine zu einem Turm aufeinander und plötzlich waren wir an der Spitze und somit beim Ende der Sommerferien angelangt. Sommerferien bleiben immer ein Kunstwerk, ein Spiel mit der Balance von allen Wünschen, Erwartungen, Bedürfnisse. Einige Tage gleichen unförmigen Steinen, die uns sinnlos erscheinen, doch im Ganzen doch auch ihren Platz finden und das Ganze stützen. Dieses Jahr wollte uns der Dauerregen und die tiefen Temperaturen den Turm aus dem Gleichgewicht bringen, doch wir liessen es nicht zu. Wir wappneten uns mit Gummistiefeln und warmer Kleidung und einer kindlichen Freude an Schnecken, Regentropfen und Pfützen.

Fast an der Spitze des Ferienturmes angekommen, wir stapelten schon den fünft letzten Stein, hat sich dann unser jüngste Junge ein Bein gebrochen. Ein klassischer Trampolin- Unfall. Und als wäre das nicht schon genug ist er diesen Sonntag, 8 Tage später, mit seinem Gipsbein auf einem Gänschen vom Gänsespiel ausgeschlüpft und hat sich beim Aufprall noch einen Unterarm gebrochen. Ja, das Leben kann manchmal so richtig fies sein. Doch ich staune und lerne von ihm, dass Beste aus allem zu machen und auch mit zwei Gipsen Fussball zu spielen und auf Mauern zu klettern. Genau zum Trotz gegen die Spielverderber, denn sogar ein Gänsespiel kann gut gefährlicher sein, als sich auf schmalen Mäuerchen zu tummeln.

Ich war sehr froh und erleichtert, den letzten Stein krönend auf unser Ferienkunstwerk zu legen. Dankbar und zufrieden freue ich mich jetzt an mehr Ruhe und einfach unserem strukturierten Alltag. Genüsslich verbringe ich nun Zeit mit meinen zwei Kleineren beim Duplo spielen, Wimmelbücher lesen und gemeinsamem Kochen. Alles scheint mir nun erholsam und ausgeglichen nach fast zwei Monaten „High Intensity Interval Training“ (Die Trainingslinie bei diesem Training ist wie eine Berg- und Talfahrt. Die aktiven Ruhephasen sind ganz kurz und schon steigt die Belastung wieder hoch an die höchsten Limiten. Dieses Training bringt dich an deine Grenzen und lässt Reserven schmelzen). Das Schwierigste ist die Vielschichtigkeit meiner 4 „Goldklumpen“ (wie ich sie so gerne nenne) auf einen Nenner, eine Aktivität, ein Menü, einen Spaziergang zu bringen. Manchmal verreisst es mich, nicht jedem gerecht zu werden. Und dennoch tröstet es mich, dass alle meine Jungs, wenn sie Gross sein werden, mindestens 10 Kinder haben wollen. Möglichst 10 heitere Jungs. Diese Aussage zeigt mir, dass sie kein Grossfamilientrauma haben, sondern Sozialkompetenzen wie Rücksicht und Verantwortung und das Teilen lernen, auch wenn es um ihre Mama und die Aufmerksamkeit geht.

Zu guter Letzt zum Thema Sommerferien begeben wir uns noch auf eine kleine Ausfahrt. Wir fahren nach Italien. Soeben haben wir den Grossen St. Bernhard überquert und fahren Kurve um Kurve in Richtung Aosta. Es ist eine sich windende Passstrasse und wir fahren extra langsam, sonst wird es einem Mitreisenden im Auto noch übel. Wir fahren durch ein Bergdorf mit Steinhäusern und mit roten Geranien geschmückten Chalets. Schön ist es hier. Einige weitere Kurven und da, da erhascht mein Blick einen Wegweiser mit der Aufschrift ALLEIN. Am liebsten würde ich eine Vollbremse ziehen, doch nein, unser Weg bringt uns weiter. Wir haben ein gemeinsames Ziel, Rom. Jetzt ist keine Zeit für ALLEIN!

In letzter Zeit habe ich mich immer wieder danach gesehnt, diese kleine Ausfahrt zu nehmen, abzuzweigen und den Ort ALLEIN zu besuchen. Mich einen Moment niederzulassen, in ALLEIN zu verweilen und ruhen und dann neu gestärkt gemeinsame Ziele zu verfolgen, weiterzugehen, dankbar und gesegnet.